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Basler Zeitung Samstag 25. Mai

Basler Zeitung
Schwimmendes Zuhause. Christa Scheidegger und Simi Züger auf ihrer «Mon Amie». Auf deren harte Schale (und weitere positiven Eigenschaften) werden sie sich in den nächsten paar Jahren verlassen können. Foto Byline
Der Traum vom (fast) freien, zeitlosen Reisen

Der Traum von Christa Scheidegger, Seglerin, und Simi Züger, Segler und Christas Lebenspartner, ist ein für Segler nicht allzu aussergewöhnlicher; aussergewöhnlich ist, dass sie ihn verwirklichen, und zwar im vergleichsweise jugendlichen Alter von knapp unter 30: Das Paar geht in diesen Tagen von Holland aus auf Weltreise, unter Segeln natürlich. Und plant noch nicht die Rückkehr.

Gehen, weggehen, fortgehen; nicht grad ziellos, aber ohne festen Plan. Irgendwann mal dann schon wieder zurückkommen. Aber erst, wenns Zeit ist. Reisen, verreisen, aufbrechen; Wunsch, Traum, Sehnsucht, uralt, immer da, stärker als alle Wurzeln und weitweit weg vom simplen «Recht auf freie Fahrt». Man muss es nur wollen, man muss es nur tun. Wir berichten von zweien, die es wollen und die es tun.
Den Anker lichten, auslaufen - Begriffe aus der Seglersprache, die in die Alltagssprache gesickert sind. Christa Scheidegger und Simi Züger nehmen die Begriffe noch wörtlich: Am kommenden Montag lichten sie in Holland den Anker und laufen aus; sie gehen auf Reise, vier Jahre sind vorgesehen, vielleicht werden es mehr, auf Weltreise also. Genau genommen gehen sie zu dritt. Die Dritte heisst «Mon Amie» und ist ein etwa 14 Meter langer Einmaster aus Stahl. Diese «Dritte» ist nicht ein fünftes Rad am Wagen und steht nirgendwo dazwischen, die Dritte ist viel mehr die, die verbindet. Erst recht verbindet.
Simi Züger und Christa Scheidegger waren beide Segler, haben zwar andere Berufe erlernt und studiert, haben aber beide das Hobby zum Beruf gemacht und in der Segelbranche gearbeitet, haben sich beim Segeln kennen gelernt, sind seit einiger Zeit als Paar gemeinsam auf Kurs, hatten beide für sich irgendwo den konkreten Traum angelegt, «es» zu tun, hatten irgendwann einander den Traum gestanden, hatten den nun gemeinsamen Traum reifen lassen und schliesslich bei einem nächtlichen (Land-)Spaziergang entschieden: Wir tun «es». Nun also machen sie den Beruf wieder zum Hobby. Die Wohnung ist längst abgegeben, die Möbel sind in Basel eingestellt.
Simi Züger und Christa Scheidegger sind nicht die Ersten, die die Welt umsegeln; aber sie tun es aussergewöhnlich früh, mit 30 Jahren, nicht mit 60, wenn das Konto prall ist. «Der Wunsch, es zu tun, ist jetzt da», sagt Simi (oder sagt es Christa? Egal - was dieses Projekt betrifft, scheinen sich nicht zwei Individuen zu äussern, sondern eine «Mannschaft»). Sie wollen den Traum nicht so lange träumen müssen; und sie fragen sich auch: Wie wird die Welt in 20, 30 Jahren aussehen? Wird sie nicht noch viel dichter vernetzt sein und noch weniger freie Räume bieten als heute? Und würden die meteorologisch-klimatischen Verhältnisse und die übrigen Umweltbedingungen etwa des Jahres 2030 eine solche Reise überhaupt noch zulassen?
Trotz des vergleichsweise jugendlichen Alters halten sich die beiden Segelprofis für kompetent genug, die Reise zu tun; «so rasch ein Segelkürslein, das reicht natürlich schon nicht», sagen sie. Aber auch: «Je mehr Wissen wir uns angeeignet haben, desto klarer stellen wir auch fest, wie vieles wir nicht wissen.»

Wohin der Wunsch geht

Simi Züger und Christa Scheidegger werden ein Stück weit als Reisende unterwegs sein; freuen sich darauf, neue Küsten, Kulturen, Landschaften, Länder und Leute kennen zu lernen. Aber dies nur zweitens. Ein anderer Sog ist stärker: Die beiden sind vor allem als Seglerin und Segler unterwegs. Das sind die Reize, die sie von hier weglocken: die Ansprüche, die die Weltumsegelung stellt; ein Schiff zu betreuen, zu pflegen, am Laufen zu halten; sich der Natur auszusetzen; sich aufs Wesentliche zu beschränken; keinen fremden Einflüssen unterworfen sein; ein eigenverantwortliches Leben zu leben; niemandem eine Schuld für gar nichts geben zu können; sich treiben lassen können, die Freiheit zu haben, Pläne über den Haufen zu werfen; sich nicht krank schreiben lassen zu können; ein Leben ohne doppelten Boden, ein insgesamt dichteres Leben zu leben, in dem das strenge strenger, das schöne aber auch schöner empfunden wird.

Woher das Schiff kommt

Mit dem Entschluss, die Fahrt zu machen, beginnt sie auch schon - auf dem Trockenen zwar und mit viel «trockener» Arbeit: Es fehlt ja noch das Schiff, und die Suche nach dem geeigneten und gleichzeitig bezahlbaren Schiff ist schon das erste Abenteuer, denn noch darf ja die ganze Entourage nichts wissen: Erst wenn der Entscheid zum Kauf des Schiffs gefallen ist, können Simi Züger und Christa Scheidegger am Arbeitsplatz, in der Familie, im Bekanntenkreis mitteilen, dass sie «es» tun. Das geschah im September 2001.
Ein strikter Katalog von Erfordernissen hat letztlich zum richtigen Schiff geführt; es war in einer Yachtzeitschrift ausgeschrieben. Ein Zimmermann aus Deutschland hatte das Schiff innen ausgebaut, es ist zehn Jahre alt, nicht müde gesegelt, es hat auch noch nicht viel Sonne erdulden müssen, war im Moment des Kaufentscheids zwar noch nicht langstreckentauglich ausgerüstet, war aber in gutem Zustand, hatte die richtige Grösse, lag im Budget und hiess «Mon Amie». Es heisst immer noch so: Christa und Simi sahen keinen Grund, das Schiff umzutaufen; ein guter Name, fanden sie, zutreffend, sympathisch, und «Mon Amie» verstehe man fast auf der ganzen Welt. Einzig die harte Schale passt nicht recht zum Namen; der Rumpf ist nämlich aus Stahl - für die Weltumsegler einer der wichtigsten Punkte, denn eine Kollision könnte fatal sein, eine Kollision etwa mit einem verloren gegangenen Container, einem vor der Amazonasmündung treibenden Baum oder einem Wal. Robustheit ist auch im Innenleben gefragt; an Elektronik kommt wenig mit, sie wäre zu anfällig auf Erschütterung, auf Kontakt mit Wasser und salziger Luft und könnte zudem nicht an Bord repariert werden. Sozusagen das Herzstück (neben Mast und Segelgarderobe) wird ein Dieselgenerator sein fürs Licht, die Positionslampen, der Kühlschrank, der Funk, Echolot, Geschwindigkeitsmesser und CD-Player. «Dass wir auf manches andere verzichten, etwa TV und Video, empfinden wir keineswegs als Verzicht; der einzige grössere Luxus, den wir uns leisten, sind die 250 mitgeführten CDs und die Bootsgrösse: Wir haben eine zweite Kabine, sodass uns auf der einen oder andern Etappe mal auch Freunde begleiten können.»

Wohin der Wind weht

Gehen, weggehn, fortgehn - natürlich nicht planlos und schon gar nicht irgendwann und irgendwohin, aber auch nicht nach unverrückbarem Fahrplan: die Qualitäten des (fast) zeitlosen, freien Unterwegsseins dürfen ja nicht verweht werden. Ende Mai muss es losgehn, denn dann sind (im Normalfall) die Frühjahrsstürme vorbei, und ab Juni sind stabile Wetterlagen zu erwarten. Und von da an sind längs der vorgesehenen Route viele Horizonte offen (sofern man dieses falsche Bild überhaupt bemühen will); vorgesehen ist dieser «Weg»: Von Lemmer am (holländischen) Ijsselmeer, wo die «Mon Amie» ihre letzten Schliffe erhalten hat, in die Nordsee, Gibraltar, Mittelmeer, Rotes Meer, Kenya, Madagaskar, Kap der Guten Hoffnung, Karibik, Venezuela, Kap Hoorn, Südsee, Australien, Indonesien und durch den Indischen Ozean zum Roten Meer und ins Mittelmeer zurück; mindestens drei Jahre wirds wohl dauern, eher vier, vielleicht auch fünf - je nachdem, welche Horizonte sich noch öffnen.

Woher Gefahren kommen

Tage- und nächtelange Stürme? Zwölf Meter hohe Wellen? Abmasten? Ein Eisberg? Ein Überfall auf hoher See oder im «sicheren» Hafen? Ein Loch im Rumpf? Natürlich machen sich Weltumsegler Gedanken um die wenigen Quadrat- und Kubikmeter, die ihre Welt sein und von der ihr Wohl ein paar Jahre lang abhängen wird. Aber Angst?
«Das so genannt normale Leben ist ja auch nicht ohne Gefahren», sagt Simi, «und diese Gefahren lassen wir zurück; die Risiken, die wir eingehen, sind unkonventionell, etwa eine Blinddarmentzündung - und wir sind zehn, vierzehn Tage von einem Spital entfernt.» Was weiter? «Vergammeln - ja, man hört immer wieder von Weltumseglern, die irgendwo hängen bleiben, stranden, nicht weiterkommen, nicht weiterwissen, eben vergammeln; die Gefahr sehe ich für uns nicht. Es gibt nichts, was uns in den nächsten drei, vier Jahren so beschäftigen und fordern könnte wie unsere Reise, unser Projekt; es gibt nichts, das uns ablenken könnte. Und ich sehe auch nicht, dass die Kontakte nach zu Hause abbrechen könnten, sie werden sich allenfalls verändern.»
Etwas zumindest bleibt über die nächsten paar Jahre konstant: der Heimathafen der «Mon Amie» wird, egal wo sie grad dümpelt, kreuzt, stampft oder surft, ihr Heimathafen wird der sein, der er ist, seit Christa Scheidegger und Simi Züger das Schiff erworben haben: Basel.
http://www.segelnumdiewelt.ch


Von Freddy Widmer

 
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